Dienstag, 28. August 2012

letzten september war mein leben ein element of crime lied

Momentan ist mein Leben ein Element of Crime Lied.

Das sage ich nicht nur, weil es sich gut anhört, ich sage es, weil es wahr ist.  Wahr und gut und
schön.
    In   Nächten,   die   wenig   mit   Kreuzberg   zu   tun   hatten,   denn   schließlich   war   ich hier in Konstanz tippte ich folgende 3 Worte ein: Element of Crime. Man schlug mir eine Menge Lieder vor, Lieder die mir nichts sagten, denn ich kannte sie ja noch nicht. „Ein Hotdog unten am Hafen“. Sven Regener alliteriert also und ich klickte ihn deswegen in dieser Nacht an. Ich klickte auch nicht mehr weiter, ich saß und hörte und fasste einen der schönen Gedanken, die man mit sich trägt, ab und zu rausholt, den Staub abwischt und ihn wieder ins Herz zurücksteckt: „Warum eigentlich nicht einen
Hotdog am Hafen in Hamburg essen?“ und woher kam eigentlich diese angenehm schmerzende Melancholie?


Nach Halle wollte ich eigentlich fahren. Halle war der Startpunkt einer Reise in der ich einfach weg wollte. 677 km zwischen mir und den Zweifeln. Zwischen mir und dem Versagen. Zwischen mir und dem großen Berg der vor der Wahrheit stand.

Eigentlich war es von Halle nicht weit nach Berlin und von Berlin war es nicht weit nach Hamburg. Wahrscheinlich ist dies die Taktik für den zweifelnden Reisenden, der will, sich aber nicht traut.

Und warum eigentlich nicht einen Hotdog am Hafen in Hamburg essen?. Eben. Warum nicht. So saß ich in dieser Nacht mit der größtmöglichen Aufregung in der Dunkelheit und hatte diese Idee auf mein Inneres losgelassen und spürte wie sie gerade Mauer um Mauer stürmte bis ich einige Stunden später beschloss, dass ich eines Tages genau diese Geschichte erzählten wollte, dass ich wegen eines Liedes einer Band nach Hamburg gefahren wäre. Mehr hätte mich nicht interessiert und so stand er fest: der Name meiner Reise.


Heiße Schokolade in Halle, ein Bier in Berlin und einen Hotdog unten am Hafen in Hamburg.





Das Auto fraß Autobahn am Tag der Abfahrt und das Radio suggerierte eine Gefangenschaft in einer Zeitschleife in der kontinuierlich die gleiche Musik lief. Toilette hieß nun Sanifair und Bockwürste waren   zu   teuer   und   schmeckten   sowieso   nicht,   weswegen   man   sie   gar   nicht   erst kaufte.  



 Eine Raststätte, viele Namen und Geschichten für die ich keine Zeit hatte, ich war unterwegs meine eigene Geschichte zu suchen. Einen ganzen Tag fuhren wir in die Wolken, die sich im Osten aufgebaut hatten oberhalb der weiten Felder  mit   dem   mittelgrünen  Weizen.  Wir   kamen   vorbei   an   der   Bank   am   Klärbecken an  der Autobahn und an Groß und Kleinkugel und an Baumalleen in Halle-Deutzsch bis wir irgendwann das Abendrot durch den Roten Horizont substituierten, einem Café, in dem mir die Kellnerin eine heiße Schokolade brachte, so mächtig und opulent, dass ein Viertel in der Tasse verbleiben musste, während ich mein Nachtquartier in einer    Seniorensiedlung bezog zwischen 9     Samtkissen und einer besorgniserregenden Auwahl an Kuscheltieren auf einer typisch gemusterten Couch.


Schlaf:2.22-4.44 Uhr. Ich wartete in der Dunkelheit auf die letzten warmen Tage in Berlin.
Berlin-Südkreuz. Berlin-Hauptbahnhof. So würden kummulierte Autobahnraststätten aussehen, 5 Etagen um immer das gleiche zu sagen.

Mein   Hotel   lag   im   Osten   und   meine   Nerven   ziemlich   blank   während   die   S-Bahn mich  zur Warschauer Brücke brachte und ich erst einmal oben an der Brüstung stand, mir eine Zigarette anzündete und den Rauch mit einem Grinsen ausblies während ich auf den Fernsehturm blickte.

Da war   ich   wieder   in   Berlin   und   nervös.   Nervös   weil   der   zweite  Teil   meiner  Reise  ein Bier beinhaltete, ein Bier mit einem Typen, den ich gar nicht so gut kannte, aber mit dem ich bereits geweint  und eine betrunkene Nacht am Telefon verbracht hatte. Ich mochte ihn. Er mochte mich. Mehr war da nicht zu dem Zeitpunkt. Ich war trotzdem nervös. Vielleicht würden wir uns betrinken
und Sex haben. So genau wusste man Dinge nie.


Ein Biergarten auf einem alten Fabrikgelände war der Treffpunkt und mein erster Gedanke muss ein lapidares „warum eigentlich nicht“ gewesen sein. Gefolgt von der Feststellung, dass mich gerade unglaublich freundliche Augen anschauten und ich mich umdrehen wollte um zu gucken ob der freundliche   Blick   wirklich   mir   gelten   konnte.   Ein   angenehmer   3-Tage-Bart,   diese  Augen und Lachen.



RevalerStr.Simon-Dach-Str., Irgendeine andere Straße und davon viele, Pizza und der Berliner Straßenhund auf Kopfsteinpflaster. Wohlfühlen unter freundlichen Augen. Die Neugier wie sich eine weitere Umarmung anfühlen würde und keine Ahnung haben wie und ob man das überhaupt sagen könnte.

Wortlose Unterhaltung in der S-Bahn, Transitliteratur, Erstaunen, dass er meinem
                               Springen  



von
                             Wortfetzen

der vorbeiziehenden Leute folgen konnte und immer wieder diese Augen.


Bier das irgendwann zu wirken begann und Neugier was nun passieren würde. Nichts und leichte Enttäuschung und eine S-Bahnfahrt zum Hauptbahnhof gefühlt um 4 Uhr Morgens wo die Kräne noch arbeiteten und erstaunlich viele Menschen unterwegs waren, während wir schlechten Kaffee und gute Aussicht hatten.


In   der   Nacht   lag   ich   wach,   in   meinem   kleinen   Zimmer   mit   dem   Einzelbett, der Schreibtischlampe und dem pathetischen Einsamkeitsanfall. Alleine in großer Stadt. 3 Finger hoch der Gin, den ich nicht hatte, dafür das Bedürfnis in den Arm genommen zu werden.

Der neue Tag vertrieb die Fledermäuse meiner fragilen Stimmung und die Umarmung die ich mir gewünscht   hatte   ließ   mich   verwirrt   am   Geldautomaten   stehen   mit   einem   Kribbeln   am ganzen Körper und zwischen den Beinen und in meinem Gehirn. 

Was war das jetzt genau? Ich musste an„Die Sehnsucht die ich rief“ denken und in mich hinein lachen während die S-Bahn einfuhr, die uns im Laufe des Tages zum Friedhof der Koinzidenzen bringen sollte.

Cut. Schnitt.  Mein dein Tag  war schon zu unserem ersten gemeinsamen Urlaub geworden, eine Formulierung   über   die   wir  beide   lachen   mussten.     So   zogen   wir  los   um  das   Grab von   Ulrike Meinhof   zu   suchen,   das   ich   10   Jahre   zuvor   bereits   erfolglos   gesucht   hatte   und   um herauszufinden wie sich weitere Umarmungen anfühlen würden am unscheinbaren Grab der deutschen Topterroristin.

Leer war es auf dem Friedhof und voll in meinem Kopf der an seine Schulter lehnte und ich wusste wir würden uns küssen wenn ich den Kopf heben würde. Lange lehnte ich, bis wir uns in die Augen schauten, die wir erst nach 2 Stunden wieder öffneten und feststellten es war Abend geworden und kalt.

S-Bahn, hektisches Duschen, immer noch nichts gegessen haben, wieder Bier in Berlin, ein erster zaghafter Begrüßungskuss, mehr Bier, andere Menschen, Federweißer auf der Straße und Küsse, das erste Mal in der fremden Wohnung, knarrende Dielenböden und ein knarrendes Telefon, das mich in eine Realität zurückholte, in der ich in der Wohnung eines fremden Typen war, der sich nicht mehr fremd anfühlte während mein Freund sich Sorgen machte, ob der große Moloch Berlin mich verschluckt hatte. Hatte er. Irgendwie.

So lagen wir gemeinsam unter der Decke, furchtbar schüchtern und fühlten uns als wären wir die besten Freunde und lachten wenn Sven Regener sang
„und zum Abschied ein bisschen Gefummel hinter der Tür“ 

Wir lachten einige Male über diese Zeile, die sich wiederholte, während wir uns in den Armen lagen und ich hatte das Gefühl jede Umarmung wäre nicht genug, nicht nah genug, drückte nicht die überschwenglichen Gefühle aus die ich in diesen Momenten hatte, bis es 4 Uhr Morgens wurde. Richtiges 4 Uhr Morgen.

Noch   ein   Tag   Berlin   für   all   die   Geschichten   die   ich   sammeln   wollte   führte   mich nach Charlottengrad zu Erika, die ich im russischen Imbiß traf und die ihr Essen mit mir teilen wollte und auch ein bisschen den Kummer den sie hatte und die mich für eine Viertelstunde zu einem Teil ihrer Lebensgeschichte machen wollte, bevor sie den Gang ins Krankenhaus antreten musste, wo sie operiert wurde. Ich ließ mich weiter treiben und traf Nikos, den griechischen Sozialpädagogen, der in Berlin arbeiten wollte aber nur Einladungen aus München bekommen hatte und mir seine Liebe zur   Stadt   gestand,   während   wir   beide   unterwegs   durch   den   Tiergarten   liefen   von einer Papstabsperrung zur nächsten.




In Gedanken war ich wieder auf dem Kopfsteinpflaster in Friedrichshain. Der letzte Abend bevor ich   weiterreisen   musste   und  es   überhaupt   nicht   wollte,   während   ich   in   seinen  Armen lag   und feststellte, dass die Freundschaft von Gestern sich Heute nach so viel mehr anfühlte. Ein Lied und noch ein Lied und immer weniger Lieder würden wir zusammen hören, bis wir beschlossen gemeinsam nach Hamburg zu fahren. Fremde die Freunde geworden waren und sich diese Erfahrung teilen wollten. Um 5.55 ging der Zug.

Es war dunkel draußen, während wir durch die Landschaft fuhren.

Jeder         Blick         ein         Versuch,         jedes         Wort         ein         Tonnen-Gewicht.        
Ein         paar         Tage         sinds         erst,         dass         wir         beide         uns         fanden.
Ganz               leicht,               ganz               leicht               wird               es               nicht. 
Und   dennoch,   was   solls? 
Und   dennoch,   was   solls? 
Und   dennoch,   was   solls? 
Warum   was   verschrein? 
Ich       weiß       noch       genau,       wie       wir       beide       vor       Sehnsucht       verbrannten.
                                       Ganz leicht, ganz leicht muss es nicht sein. 



Und ich konnte den langsamen Weg einer Träne verfolgen, die ihm aus dem Auge kullerte und ich antwortete mit einer anderen Träne bis sich alles auflöste und nur noch ein Tränenbokeh blieb, irgendwo dort oben in Norddeutschland in einem Zug der sich gerade Hamburg näherte. Einer Stadt in der ich noch nie war und die ich jetzt unter den wunderlichsten Umständen zum ersten Mal in meinem Leben besuchen würde, während wir beide uns ununterbrochen in die Augen schauten und für diese Fahrt alle Brücken zum restlichen Leben gekappt hatten, so dass es nur noch uns und diesen Moment gab. Und ich wollte mehr als eine Schleusenbekanntschaft sein.

Hamburg war kalt, aber ich war nicht alleine. Hamburg war eine Fahrt zu den Landungsbrücken und das ohnmächtige Gefühl, dass die Zeit bald verstrichen sein würde, während wir nebeneinander auf zwei Pollern am Hafen saßen und einen Hotdog aßen, der gar keiner war.  Aber das war nicht wichtig in den letzten verbleibenden Minuten in denen wir den Wellen vor Elbe 17 zuschauten und in denen ich mich für einige Minuten verlor.
Ohne dich will ich nicht, mit dir kann ich nicht sein.
Eine rote S-Bahn nahm ihn schließlich mit, die sich nicht darum kümmerte dass wir unsere Hände von beiden Seiten auf die Glasscheibe der Tür gelegt hatten und das wir beide einen Kronkorken in der anderen Hand hielten als Erinnerung.

Drüben am Horizont verschwindet eine Landschaft, ein Schnitt in die Brust ist der Abschied.

Lange sah ich dem Zug hinterher, bis ich mit glasigen Augen zurück zu den Landungsbrücken fuhr.



*featuring: mein dein tag, ganz leicht, ein hotdog unten am hafen, 4h vor elbe 1, wahr und gut und schön und das lied mit dem gin, dessen namen mir grade nicht einfällt by element of crime

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